Logo der Universität Wien

Islam in Österreich. Ein historischer Abriss

Die Besonderheit des Islam in Österreich ist auf seine rechtliche Anerkennung – zunächst beschränkt auf die hānafītische Lehrschule – im Jahr 1912 zurückzuführen (Schmied 2005, 190). Die Grundlage dieses Islamgesetzes wurde 1874 durch das Anerkennungsgesetz für Religionsgemeinschaften gelegt. Dies erfolgte damit lange vor Beginn der Gastarbeiterzuwanderung in den 1960-er & 70-er Jahren.

Mit der Okkupation der vormals osmanischen Provinzen Bosnien und Herzegowina im Jahre 1878 entstand ein neues Kräfteverhältnis. Die Eingliederung der Gebiete in das Habsburgerreich im Jahr 1908 brachte somit zum ersten Mal die Herausforderung mit sich, größere muslimische Gruppen in den Herrschaftsbereich aufzunehmen. Faktisch gerieten mit diesem Schritt über eine halbe Million MuslimInnen unter österreichische Herrschaft (Schmied 2005, 189). Verbunden mit der Annexion wurde am 21. April 1879 eine Konvention mit dem Osmanischen Reich eingegangen, die den in Bosnien und Herzegowina lebenden Religionsgemeinschaften die öffentliche Religionsausübung garantierte (Heine/Lohlker/Potz 2012, 47). 

Auch das 1881 herausgegebene Wehrgesetz brachte Veränderungen für die Muslime: Sie wurden nun zum ersten Mal in der Geschichte in die kaiserliche Armee eingezogen. Um die damit verbundenen Auflehnungen der Muslime gegen die österreichisch-ungarische Regierung zu entschärfen, wurden besondere Bestimmungen für Wehrpflichtige islamischen Glaubens eingeführt (Neumayer 1995).

Am 15. Juli 1912 trat schließlich das Islamgesetz in Kraft. Hiermit wurde dem Islam mit ḥānafītischer Lehrschule der Status als Religionsgemeinschaft verliehen. Konkret sicherte dies für die MuslimInnen [u.a.] das Recht

  • auf eine gemeinsame öffentliche Religionsausübung (z.B. schulischer Religionsunterricht),
  • auf Gründung von konfessionellen Einrichtungen (wie Stiftungen und Schulen), 
  •  auf eine administrative Selbstbestimmung innerer Angelegenheiten
  • und auf eine Gleichstellung mit Angehörigen römisch-katholischer oder anderer anerkannter Religionsgemeinschaften (Schmied 2005, 190).

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 wurden mit der Auflösung der Habsburger Monarchie allerdings die langwierigen Versuche, den Islam zu institutionalisieren, zerstört. Ein Florieren der islamischen Gemeinde erfolgte erst wieder 1932 mit dem „Islamischen Kulturbund“. Dieser Verein wurde nach dem sogenannten „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland allerdings aufgelöst (Heine/Lohlker/Potz 2012, 53). Zwischenzeitlich etablierte sich die „Islamische Gemeinschaft zu Wien“. Diese war von 1943 bis 1948 Ansprechpartner für die MuslimInnen (Kreisky 2010, 17). Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der „Verein der Muslime Österreichs“ ins Leben gerufen, dessen Aufgaben sich vornehmlich auf religiöse und sozial-karitative Tätigkeiten bezogen (Bihl 1991, 592). Weiters fand auch eine kurzfristige Betreuung seitens der österreichischen Zweigstelle der „Jamiʿat-ul Islam“, einer international getragenen Organisation statt, bis schließlich auf Initiative des Bosniaken Smail Balić im Jahr 1962 der „Moslemische Sozialdienst“ gegründet wurde.

Balić reichte im Jahre 1971 eine Petition beim Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) ein, um das Fundament für eine „Islamische Kultusgemeinde“ zu schaffen (vgl. hierzu Balić 1995). Auf Grundlage des Islamgesetzes von 1912 und des Anerkennungsgesetzes von 1874, wurde am 2. Mai 1979 der Gründung der „Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich“ (IGGiÖ) stattgegeben. 

 

Tabelle: Chronologie der Geschichte des Islam in Österreich

1878

 

Okkupation von Bosnien & Herzegowina (ehemals osmanisch) durch Österreich-Ungarn

1879

Konvention mit den Osmanen sichert Religionsfreiheit in Bosnien & Herzegowina

1881

 

Veränderungen im Wehrgesetz: Muslime werden in die kaiserliche Armee eingezogen, unterstanden jedoch anderen Bestimmungen => Militärimame kamen zum Einsatz

1908

Endgültige Annexion von Bosnien & Herzegowina in das Habsburgerreich

1912

Islamgesetz: der sunnitische Islam mit ḥānafītischer Lehrschule wird als Religionsgemeinschaft anerkannt => Zusicherung von Selbstbestimmung

1932- 1939

Gründung des Vereins „Islamischer Kulturbund“

1943- 1948

Etablierung der Vereinigung „Islamische Gemeinschaft zu Wien“

1951

Gründung: „Verein der Muslime in Österreich“, mit sozial-caritativen Aufgaben

 

Kurzfristige Betreuung der MuslimInnen durch „Jamiʿat-ul Islam“

1962

Gründung: „Moslemischer Sozialdienst => zugleich Fundament für die Errichtung der IGGiÖ

1979

Errichtung der IGGiÖ als Repräsentationsorgan der MuslimInnen in Österreich

 

 

Literatur:

 

  • Bihl, Wolfdieter. „Zur Stellung des Islam in Österreich.“ Österreichische Osthefte 3, 1991. Demographisches Jahrbuch Wien.
  • Heine, Susanne / Rüdiger Lohlker / Richard Potz. Muslime in Österreich: Geschichte, Lebenswelt, Religion; Grundlagen für den Dialog. Innsbruck; Wien: Tyrolia-Verlag, 2012.
  • Kreisky, Jan. Historische Aspekte des Islam in Österreich: Kontinuitäten und Brüche. Wien: Österreichischer Integrationsfonds, 2010.
  • Schmied, Martina. „Islam in Österreich.“ In : Islam, Islamismus und islamischer Extremismus, von Walter Feichtinger, Herausgeber: Walter Feichtinger, Wien, 2005, S.189-206.
  • Neumayer, Christoph. „Der Islam in Österreich-Ungarn 1878 - 1918 : Neuordnung der muslimischen Kultusverwaltung in Bosnien - Muslime in der k.u.k. Armee – Muslime in Wien und Graz.“ Diplomarbeit, Wien, Univ., 1995.

Institut für Islamische Studien
Projekt "Muslimische Milieus in Österreich"
Thurngasse 8/12
1090 Wien
T: +43-1-4277-46763
Universität Wien | Universitätsring 1 | 1010 Wien | T +43-1-4277-0